Bern ohne Bären. Geht das?
Am 2. Juni 2014, zwei Monate nach dem Tod von Bär »3« im Berner Tierpark Dälhölzli, lud das Schweizer Radio SRF den Direktor des Parks zum Montagsapéro ein. Dass die Sendung am 2. Juni stattfand, war Zufall, wie SRF mitteilte: »Wir legen die Termine lange im Voraus fest.«
Das Staatsgeschenk Misha und Masha.
Als der russische Präsident Dimitri Medwedew im September 2009 auf Staatsbesuch in der Schweiz war, schenkte er der Stadt Bern zwei kleine Bären. Sie hießen Misha und Masha. Die beiden hatten ihre Mütter verloren und wären wohl gestorben, wenn man sie nicht gefunden hätte. In einer Auffangstation kümmerte man sich um sie und zog sie von Hand auf. Es war bereits klar, dass die Bären nicht ausgewildert werden können. Sie hatten sich zu sehr an Menschen gewöhnt. Doch sie eigneten sich hervorragend als Staatsgeschenk und so traten sie mit Medwedew die lange Reise in die Schweiz an. Zunächst fanden Misha und Masha im Bärengraben Unterschlupf. Danach zogen sie in den Tierpark Dälhölzli um.
Was mit den jungen von Misha und Masha geschah.
Am 27. März 2014 traute sich eines der Jungtiere zum ersten Mal ins Freie. Die Besucher freuten sich sehr über den Nachwuchs der russischen Bären.
Kurze Zeit später gab der Park die Namen, der am 15. Januar geborenen Bären, bekannt. Sie sollten einfach »3« und »4« heißen. Der Park wollte verhindern, dass die kleinen vermenschlicht werden. Doch der Entscheid kam vor allem bei den Medien nicht gut an. Der Blick titelte: »Sind richtige Namen bereits Tierquälerei?«
Als das Dälhölzli die Namen bekannt gab, warnte man aber auch vor übertriebener Begeisterung. Der Park wies darauf hin, dass die Alttiere nicht getrennt werden können. »Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass der Bärenvater die kleinen tötet.«
Es war als hätte der Park mit der Warnung den Teufel an die Wand gemalt. Denn wenig später begann Misha die Jungtiere in der Gegend herum zuwerfen. Die Besucher, auf der Plattform über dem Bärengehege, waren empört. Sie verstanden nicht, dass die Wärter einfach herumstanden und nichts taten.
Am 2. April schüttelte Misha schließlich »3« so heftig, dass das Bärchen auf der Stelle starb. Die Berner Bevölkerung war schockiert. Ein Facebook User äußerte sich gegenüber der Zeitung 20 Minuten so: »Die Natur ist halt grausam. Aber wenn man die Viecher schon einsperren muss, dann könnte man meiner Meinung nach auch helfen.« So wurde schnell gefordert, dass der Park »4« besser schützen muss. Doch der Tierpark wies erneut darauf hin, dass die Alttiere nicht getrennt werden können und der Verlust von »4« in kaufgenommen wird.
Doch der Park blieb nicht ganz untätig. Um den Tieren Ruhe zu gönnen, wurde die Besucherplattform gesperrt und die baldige Sterilisierung von Misha angeordnet.
Der Tod von Jungbär »4«
Für 48 Stunden kehrte im Gehege Ruhe ein. Da der Park davon ausging, das Misha wider grob werden würde, begann man versuchsweise damit die Tiere zu trennen. Doch die Befürchtungen der Tierpfleger bestätigten sich. Die Bären reagierten verstört auf die Maßnahme und Masha war so verwirrt, dass sie sich nicht mehr um »4« kümmerte. So sah sich der Tierpark gezwungen die Maßnahme abzubrechen.
Bereits am Samstag fing Misha an, »4« zu traktieren. Masha ließ ihn gewähren und beachtete ihren Nachwuchs kaum noch. Als der Bärenvater am Montagmorgen des 7. April wiederum auf das Jungtier losging, griffen die Pfleger ein. Um dem Tier weiteres Leiden zu ersparen, wurde es vom Tierarzt eingeschläfert. Die Sterilisierung von Misha erfolgte eine Woche später.
Medienreaktionen
Bernd Schildger weilte am Morgen des 7. Aprils in den Ferien. Der 65 Jährige ist seit 1997 Direktor des Dälhölzlis. Am Montagsapéro sagte er: »Ich hatte nie damit gerechnet, dass die Reaktionen der Medien so heftig ausfallen. Unsere Mitarbeiter sind den Umgang mit Medienschaffenden zwar gewohnt, doch die Dimension überraschte selbst sie.«
Neben zahlreichen Anfeindungen unterstellte man dem Tierpark, dass die Tiere nur deshalb zusammenbleiben durften, weil man darauf spekulierte, dass der Vater die Bärchen tötet. So konnte man sich die leidige Suche nach einem Platz sparen.
Die Unterstellung hatte ihren Ursprung in der Geschichte mit Finn. Finn der Bär aus dem Bärenpark (früher Bärengraben) und seine Gefährtin Börkh, bekamen vor wenigen Jahren auch Nachwuchs. Als die Jungen geboren waren, stellte man fest, dass niemand abgeklärt hatte, wo die Tiere später unterkommen. Denn im Bärenpark durften sie nicht bleiben. Die Stadt Bern suchte lange nach einem Platz. Doch erst im letzten Moment konnte einer in Rumänien gefunden werden.
Der Tierpark Dälhölzli versicherte aber gegenüber SRF: »Die Bären »3« und »4« hätten selbstverständlich im Tierpark bleiben können.«
Die Gratiszeitung Blick am Abend, lancierte eine Umfrage. Die Leser sollten darüber abstimmen, welches Tier das Wappen der Stadt Bern in Zukunft schmücken soll. Praktisch einstimmig wurde die Schnecke als Wappentier gewählt. Selbstverständlich erhielt Bern kein neues Wappen. Aber der Entscheid unterstrich die Enttäuschung der Bevölkerung.
Reaktion des Tierschutzes
Nachdem der Tierschutz vom Tod der Bären erfahren hatte, nahm das Team rund um Sarah Werli eine strickte Haltung ein. »Wir fragten uns, weshalb die Bären überhaupt Nachwuchs haben durften. Man wusste ja, dass Misha und Masha von Hand aufgezogen wurden. Wir glauben, dass die Nachwuchsfrage viel schärfer hätte hinterfragt werden müssen.« sagte Werli.
Doch diese Entscheidung verteidigt der Tierpark bis heute vehement. »Wir sahen darin eine Chance, dass es doch klappen könnte«, so Schildger.
Bern ohne Bären?
Markus Wild aus Basel beschäftigt sich schon lange damit, wie Tiere in Zoos gehalten werden. Er plädiert dafür, dass Tierparks keine Tiere mehr halten dürfen, die sie nicht versorgen können. So wie es bei Haustierbesitzern der Fall ist. »Ich will die Zoos nicht verbieten. Doch wer Raubtiere halten möchte, muss auch für sie sorgen können.«
Für Bern würde das bedeuten, dass die Stadt auf Bären verzichten muss. Doch genau das ist hier kaum vorstellbar. Denn die Bärenhaltung hat einen historischen Hintergrund, wie ein Dokument aus dem Stadtarchiv zeigt. »Ab 1549 ist die Bärenhaltung historisch lückenlos belegt.« Und nur weil die Franzosen 1798 den besiegten Bernern das Wappentier gestohlen hatten, besaß die Stadt für 55 Jahre keine Bären mehr.